Liemehna – ein beschauliches Örtchen mit einer kleinen Kirche und vielen Feldern und Natur rundherum. Eine Idylle, zu der man von selbst wohl kaum finden würde. Mitten im Ort, neben der kleinen Kirche, steht ein gelbes Haus, hinter dem Schafe grasen und auf dessen Gelände zu dieser Jahreszeit bunte Tulpen blühen. Das ist das Gästehaus Liemehna – ein Selbstversorgerhaus, das von sehr lieben Leuten gepflegt und vermietet wird. Einer Gruppe unserer Größe bietet es einfach alles, was man für ein schönes Wochenende braucht. Durch Zufall waren wir auf diese Perle gestoßen.
Der Frühling 2023 war sehr nass und kühl. Nur zu Ostern hatte sich bisher länger die Sonne gezeigt. Klara, eines unserer Chormitglieder, hatte zuvor arbeitsbedingt viele Wochenenden im Regen gestanden und meinte bereits vor dem Chorlager, sie habe sich jetzt mal gutes Wetter verdient und sei bereit, es mit uns allen zu teilen. Und tatsächlich bekamen wir herrlichstes Frühlingswetter, was das Außengelände des Gästehauses noch attraktiver machte und so die perfekte Grundlage für unser Chorwochenende bot.
Am Freitag, den 21. April, war es soweit: Zwischen 16 und 18 Uhr reisten 15 Sänger*innen an und waren sofort von dem Ort begeistert. Nachdem die Zimmer bezogen waren, bestritten wir unsere ersten Proben im Freien – das Wetter hatte uns dazu eingeladen. Wir beschäftigten uns mit den französischen und türkischen Stücken unseres Programms und deren Rhythmus und Aussprache – ein Thema, bei dem wir bereits die vorausgehende Aprilprobe verzweifelt waren. Doch die großartige Stimmung und der fehlende Zeitdruck ließen uns diesmal sauber durchkommen und letztlich schafften wir sogar weit mehr als gedacht. Nach dem leckeren Abendessen, das von unserem persönlichen Chorkoch Tristan gezaubert wurde, waren wir sogar so motiviert, um 21 Uhr noch eine Chorprobe dranzuhängen.
Nach Abschluss der letzten Probe mit dem schwungvollen Trinklied „Tourdion“ klang der Abend schließlich am Kamin bei Musik und angeregten Gesprächen aus.
Am nächsten Morgen mussten wir feststellen, dass das Haus nicht besonders dicke Wände hat. Die Chorleute im Zimmer neben dem unseres Chorleiters Louis wurden von seinem Gesang geweckt, als er alle Stimmen jedes Stückes nochmal probte. Hatte die Probe etwa schon ohne sie begonnen und sie haben verschlafen?
Nach einem zugegebener Maßen luxuriösen Eierkuchenfrühstück besuchte uns Herr Bixl – einer der Musiklehrkräfte des St. Augustins, die der Chor aufgrund seiner herzlichen Art und der Begegnung der Schüler*innen auf Augenhöhe am meisten schätzte. Er war bereit, uns bei der Registerprobe zu unterstützen, bei der wir uns in Bariton, Alt und Sopran aufteilten und in verschiedenen Räumen jedes Stück einmal durchprobten. Mit zweieinhalb Stunden und der Aufgabe, sich 12 verschiedene Stücke zu merken, war das zweifelsohne die anstrengendste Probe. Hinterher hatten sich alle die zweistündige Mittagspause verdient, in der wir in der Sonne saßen, ganz gemächlich nebenbei grillten und die Tischtennisplatte in Anspruch nahmen.
Nachdem unsere Zahl am Samstag auf 18 Leute gewachsen war, folgte statt der nächsten Probe nach dem Mittag eine Diskussionsrunde, bei der wir uns ausführlich über die Zukunft unseres Chores unterhalten haben. Wie werben wir neue Ehemalige? Sollten wir uns für Schulexterne Menschen öffnen? Welche Auftrittstermine wollen wir im Sommer wahrnehmen?
Nachdem wir uns über anderthalb Stunden unterhalten und Pro- und Kontraargumente für jeden Punkt gesammelt hatten, waren wir zu einem Ergebnis gelangt, mit dem alle zufrieden waren. Wir wollten künftig unsere Arbeit zur Werbung Ehemaliger intensivieren und hatten uns coole und innovative Strategien dazu überlegt. Gleichzeitig entschieden wir uns mehrheitlich dafür, unter bestimmten Voraussetzungen auch vereinzelt Nicht-Ehemaligen eine Teilhabe zu ermöglichen, weil es dafür einfach eine Menge guter Argumente gab. Wenn gleich die Öffnung auch nicht ganz ohne Bedenken und mit einigen Back-Up-Regelungen erfolgen sollte, war es doch ein relativ großer Schritt unserer Chorarbeit – selbst der Augustiner-Verein e.V. stimmte diesem Gedanken zu. Als wir zu guter Letzt noch unsere Termine planten, waren wir erstaunt, dass wir auf 5 Auftritte kamen und sogar noch eine Sommerparty – sozusagen als zweiten Chorgemeinschaftstag – veranstalten wollten.
Die Diskussion war zweifelsfrei wertvoll und bereicherte uns nachhaltig. Dennoch nahm sie natürlich wertvolle Probezeit, die wir uns nun umso straffer zurückholen mussten. Wir probten – mit einigen Vesper-, Abendbrot- und Spazierpausen – noch drei weitere Male an diesem Tag, meist etwas über 2 Stunden. Die Lieder, die wir in der Registerprobe einzeln einstudiert hatten, setzten wir nun zusammen und erfreuten uns an den ersten mehrstimmigen Klängen. Gerade unter diesem engen Plan wussten wir unser nun 2 Personen starkes Kochteam zu schätzen, dass uns zum Abendessen sogar mehrere Gerichte zur Auswahl stellte.
Völlig fertig beendeten wir gegen 22.30 Uhr das letzte Stück für diesen Abend. Knüppelkuchen und Lagerfeuer hatten wir uns jetzt verdient. Neben den reinen Proben so miteinander Zeit verbringen zu können war was wir uns von nun an öfter vornahmen. Wir merkten, wieviel Mehrwert das dem Chor brachte. Der Abend endete für die meisten sehr spät mit einem Spiel, das uns unerwartet viel Spaß machte, uns faszinierte und von dem wir uns nicht losreißen konnten.
Sonntag – der letzte Tag – begann deutlich später als geplant. Völlig übermüdet und mit leichten Halsschmerzen standen viele erst kurz vor der ersten Probe auf, aßen zum Frühstück schnell ein Brot und warfen ein paar Hustenbonbons hinterher. Wir spielten einige Bewegungsspiele, um richtig wach zu werden und setzten die letzten Lieder final zusammen. Wir merkten, dass 12 Stücke doch etwas mehr waren, als wir stemmen konnten und mussten eines vorläufig verwerfen. Natürlich klangen die ersten Durchläufe noch sehr schief, aber wir näherten uns mehr und mehr dem Punkt, an dem wir uns in den Noten zurechtfanden und zwischen den ganzen verschiedenen Liedern unterscheiden konnten.
Unsere letzte Mittagspause nutzen wir, um gründlich aufzuräumen, ein paar Reste zu verdrücken oder auf die Rucksäcke zu verteilen und das Gästehaus abreisefertig zu machen. Als Abschluss fehlte nur noch unsere 2-stündige Durchlaufprobe, bei der wir alle Stücke nochmal fehlerfrei durchsangen. Das heißt, es klang natürlich immer noch nicht auftrittsreif, bei einigen Stücken auch nicht ansatzweise. Aber das grundlegende Programm stand und wir konnten uns die kommenden drei Monatsproben mit dem reinen Feinschliff – mit der Dynamik, der Sauberkeit und der Atmung – beschäftigen. Am Ende der letzten Probe sangen wir beseelt unser diesjähriges Lieblingslied, Kleiner grauer Falter und gaben uns allen gegenseitig einen dicken Applaus.
Hinter uns lag ein anstrengendes, aber wunderschönes Wochenende voller Gesang, guter Gesellschaft und unvergesslichen Eindrücken. Egal wie die Stücke letztendlich zum Konzert laufen würden, die Freude, die wir bei deren Einstudieren hatten konnte uns keiner mehr wegnehmen!